Gadarols Glosse #16: Geld zerstört Gehirne!

Heute möchte ich mit euch über ein Thema sprechen, welches mich schon seit vielen Monden zur Weißglut bringt. In Ermangelung eines passenden Einstieges schob ich es jedoch bisher vor mir her. Nach den neuesten Ereignissen in einem vornehmlich Reis konsumierenden Inselstaat komme ich jedoch nicht umhin es aufzugreifen. Ob in den Medien, den aktuellen Kriegen oder den Spieletest-Redaktionen: Überall gibt es schon seit langer Zeit die Macht des Kapitals und daraus resultierende Einflussnahme einhergehend mit drastischer Zurückbildung zentraler Hirn- und Moralfunktionen. Warum mir zuletzt das Essen der Vorwoche hochkam, und warum ich durchaus einigen Menschen Pest, Cholera und Browsergames an den Balg wünsche? Dazu in den folgenden Zeilen – geteilt auf zwei Bereiche –  mehr, doch wie immer der Reihe nach…

Fangen wir zunächst harmlos an: In einem der letzten Podcasts griff ich gewohnt fundiert die Kollegen der kommerziell und im Namen diverser Publisher schreibenden Spieletesterzeitschriften an. Meine These, welche einen Kausalzusammenhang zwischen Anzeigenabteilung und redaktionellen Inhalten herstellte, führte unter Anderem zu einem deutlichen Zuwachs an Podcast – Feedback mit lobenden Worten und interessanten Hinweisen. Doch auch ohne meine Mithilfe verursachten hohe Bewertungen das Spieles „Dragon Age 2“ massive Irritationen unter der Leserschaft eines großen Rollenspieleportales. Während dieses Spiel auf Grund seiner abenteuerlich anmutenden Game Design – Entscheidungen eine eigene Glosse vollends verdient hat und bekommen wird kann ich schon jetzt vorweg nehmen, dass mich die Reaktionen der geschätzten Kolleginnen und Kollegen auf die Kritik rund um das Wertungs – „Sponsoring“ doch sehr an beleidigte Metzgerreiprodukte erinnerten.

Gegen die Vorwürfe der zunehmend kritischen Leserschaft rechtfertigte man sich mit dem Ideal des guten Rufes. Man lege größten Wert darauf, seine journalistische Ehre zu wahren und sich in keinster Weise beeinflussen zu lassen. Da sowieso nur ein kleiner Teil der Einnahmen durch Werbeeinnahmen gedeckt werde, so hieß es, seien die Anfeindungen sowieso unhaltbar, ja geradezu beleidigend. Interessant, so dachte sich der diese Zeilen verfassende Autor, und begann sodann eine umfangreiche Recherche. Unter den Suchbegriffen „Spielezeitschriften“ verbunden mit „Einflussnahme“ und „Bestechung“ fanden sich sogleich tausende mehr oder minder fundierter Erfahrungsberichte, Halbwahrheiten und Mutmaßungen. Zugegeben: Forenposts von selbsternannten Möchtegernexperten filterte ich geistig dabei ebenso flink heraus wie Beiträge, deren Schreibstil mich eher an proletarisches Stammtischgeschwätz erinnerten. Übrig blieben zwei interessante Veröffentlichungen.

Zum Einen die Kollegen der taz, welche „Undercover“ und im Rechercheblog nachzulesen mit Hilfe einer frei erfundenen Marketingfirma versuchten, bei Zeitschriften Inhalte im Zusammenhang mit Werbeschaltungen zu kaufen. Beispielsweise schlug der angebliche Mitarbeiter der fingiertem Agentur dem dafür umso echteren Redakteur eines großen deutschen Druckerzeugnisses vor, eine ganzseitige Anzeige für Versicherungen zu schalten in Verbindung mit dem Wunsch, das auf der angrenzenden Gegenseite ein entsprechend „wohlwollend“ formulierter Text zu finden sei, der über die Vorzüge der Versicherungen allgemein und deren Notwendigkeit aufkläre. Wer hier nun wirklich glaubt, dieser Versuch werde ebenso viel Erfolg haben wie das Ansinnen, JoWooD als angesehenen Publisher neu zu positionieren, der irrt.

Seid mit mir gemeinsam überrascht, wie sehr meine Thesen doch unter Anderem durch bereits vorgefertige Angebotskataloge für sogenannte „Sonderwerbeformen“ untermauert wurden – trotz Dementi der PR. Der Kunde konnte dabei sogar entscheiden, ob die Redaktion die Inhalte schreibt, oder man gleich selbst die Texte für jene Artikel verfasst, die direkt neben der bunten und gekauften Werbebotschaft erscheinen wird. Der dennoch gelegentliche Verweis „Anzeige“ würde dabei schon dadurch häufig übersehen, dass man seitens der Magazine bestrebt sei die Werbeartikel so aussehen zu lassen als seien sie Teil des redaktionellen Inhaltes. Ihr neues Automodell auf dem Titelbild der Zeitschriftenbeilage? Kein Problem, wenn ihr Werbefaktor hoch genug ist, sprich: Die in der letzen Zeit oder in der aktuell geschalteten Ausgabe geschaltete Werbung übersteigt die eurer Mitbewerber! Seriöse und freie Presse ist die Beste, da mag mir sicher jeder zustimmen, doch während in Ländern mit eher dunkelrot gefärbter Landesflagge und entsprechend links gerichteter Regierung zuweilen regimeseitig diktiert wird, was Medien zu berichten haben, scheint mir hierzulande die Freiheit durch den Einfluss klimpernder Taler und raschelnder Scheinchen stetig zu schwinden.

Zum Anderen stiess ich auf eine Aktion der sehr geschätzten Kollegen von 4players, welche sich für einige Aktionstage ganz gross die Unabhängigkeit der schreibenden Zunft von den Wichsgriffeln des Kapitals auf die wehenden Protestfahnen schrieben. Im Rahmen einer farbigen Glosse stellte man dabei ein Interview mit einem Publishermitarbeiter nach, welches zum Nachdenken anregen sollte. Umso lesenswerter war daraufhin ein weiterer Bericht, der tatsächlich ein Interview mit einem echten „Aussteiger“ der Schmiererszene zum Thema hatte. Offen berichtet dieser über die Methoden, mit welchen die Industrie permanent versucht Druck auf die Verlage auszuüben. Während bei einigen anständigen Häusern daraufhin sofort die Türen der Ablehnung zufallen, und man dann als Publisher unter Umständen einem trotzigen Kleinkind gleichend keine Testmuster mehr schickt – oder gleich den gesamten Werbeetat in Form von Anzeigen und Bannern streicht – gäbe es bei anderen Magazinen „Spezialisten“, die in Rahmen der Berichterstattung von neuen Spieletiteln ein für die Werbung „angenehmes Umfeld“ schaffen.

Letztlich geht es hier nur um Eines: Um die dicke Kohle! Niemand kann mir erzählen, dass die wohlwollende Wertung von „ArkaniA – A Grottic Fail“ in einem gewissen Verlagshaus nicht in direktem Zusammenhang mit der Erlaubnis standen, exklusiv die Demo einen Tag vor den „Anderen“ anbieten zu dürfen sowie in anderem Zusammenhang entsprechende Exclusivrechte für erste Previews zu erhalten. Ein Geschäft für beide Seiten: Fette PR auf der Einen und mehr Besucher des Portales und Käufer der aussterbenden Printmedien auf der anderen Seite. Zudem kann es doch kein Zufall sein, wenn Kritik nur unter vorgehaltener Hand geäußert wird, und Artikel mit hohen Wertungen diese umrahmende Anzeigen erstaunlich oft dasselbe Produkt beleuchten. Kein Wunder: Es gibt keine Werbeform, die direkter und gezielter nicht nur eine Zielgruppe sondern gleich den konkreten Artikel in bare Münze verwandeln kann – leichte Dämlichkeit der Leser sowie deren unreflektierten Konsum vorausgesetzt.

Niemand sägt am Ast, auf welchem er sitzt. Und wenn ein übereifriger Redakteur doch einmal in Versuchnug kommt allzu kritisch ein unfertiges oder schlechtes Produkt herabzuwerten? Hier dürfte der dezente Verweis des Marketings auf den Zusammenhang zwischen Lohnausschüttung und den Einnahmen durch Werbung schnell zu einer „dezenten“ Überarbeitung reichen, vor allem dann, wenn der Redakteur beim Verlassen des Büros noch den Hinweis bekommt, dass es im Sommer unter Brücken nicht allzu kalt sei. Doch wie war das mit dem Argument: „Wir entscheiden alles in Wertungskonferenzen, da müssten die uns ja gleich alle bestechen“? Hier ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die an diesen Meetings teilnehmenden Personen eine hohe Deckungsgleichheit mit jenem Personenkreis aufweist, der gerne von den Herstellern zu „Präsentationen“ eingeladen wird. „Ey Ulli, weisste noch neulich bei Maffiagames, als die uns den Bordellbesuch gespendet haben? Was hast du dem Game gegeben? Nur 82%? Willst du echt das die uns nicht mehr einladen?“

Die Printmedien sind in einer Krise. Gerne wird hier die Konkurrenz des schnelleren und meinungstechnisch breiter gestreuten Internets genannt, weshalb die Zeitschriften diese Art der Werbeplatzerzeugung ja schon länger für sich entdeckt haben. War man früher noch auf die ehrliche Meinung von Redakteueren angewiesen, mit denen man den eigenen Geschmack und auch Fachkompetenz verbinden konnte, verkommen die sogenannten Magazine immer mehr zu Werbeheftchen der Spieleindustrie. Liebe Kolleginnen und Kollegen sowie zahlreiche Praktikanten der immer noch auf Papier schreibenden Zunft, eines kann man für kein Geld der Welt kaufen: Glaubwürdigkeit! Und die geht nun mal verloren, wenn man im Vorfeld zu Veröffentlichungen drölfmal zu einem mehrgängigen Menü nebst Produktpräsentation nach Teneriffa eingeflogen wird, verbunden mit kleinen Geschenkpaketen und dem Wunsch, man möge doch bitte die Artikel vorab zur „Sondierung“ einreichen. Und ihr könnt mir gerne weiterhin Neid um euren „tollen“ Job oder redaktionelle / spieletechnische Inkompetenz vorwerfen getreu dem Motto „Da schreibt wieder einer der keine Ahnung hat aber zu jedem Mist ne eigene Meinung“ – Ja, ich sage und schreibe immer, was ich denke, unabhängig von Vorgaben durch wen auch immer. Dies, so zeigte die zuletzt durchgeführte Umfrage, ist unangefochten der wichtigste Faktor für unsere treuen Leser und Hörer!

Ein Leser, der auf eure angeblich nicht beeinflusste Wertung hin einen Softwareschrotthaufen wie „Arkania“ oder das überteuerte/-hypte/-bewertete „Dragon Age 2“ kauft, der ist die längste Zeit Leser eurer Zeitschrift oder eures Bannerportals gewesen, und dennoch wundert ihr euch über eure Umsatzeinbrüche? Einmal Schiebung ist keinmal? Ihr seid es, die „armen Schülern“ oder finaziell weniger gut Ausgestatteten nicht nur überteurte Euronen für eure lose Anzeigensammlung aus der Tasche zieht, nein, auch das mühsam in zwei Monaten angesparte Taschengeld in ein Spiel zu stecken, welches ihr fälschlicherweise „aus Versehen“ zu hoch bewertet habt tut einem jungen nicht verwöhntem ehrlich kaufenden Jugendlichen richtig weh! Und nun kommt mir bitte nicht mit der schwachsinnigen alten Laier von „Jeder Geschmack ist anders“: Grobe Wertungspannen sind kein Zufall, ihr wisst das, ich weiss es, und wenn Bugs, Fehler und Unzulänglichkeiten absichtlich verschwiegen werden, hat dies nichts mit „Geschmack“ zu tun, man kann diese nicht „gut“ finden und daher verschweigen. Wo habe ich zuletzt eine deutliche Kritik gelesen, die Empfehlung, einen Titel nicht zu kaufen? Zeigt es mir, und erspart mir die offensichtlichen Beispiele von Billigbrowsergames!

Wie weit das Geld den Charakter eines Menschen verderben kann, dass widerfuhr mir im Zusammenhang mit Japan und löste in mir neben Mordlust auch übelsten Brechreiz aus, womit ich zum zweiten Teil dieser Gosse komme. Nachdem ich mir stundenlang Berichte aus dem Krisengebiet ansah, in welchen Menschen nicht nur ihre Existenz oder Familie verloren haben, Andere in den nächsten Wochen und Monaten an den Folgen des nuklearen Fallouts grausamst verrecken werden, gab es eine kleine, sogenannte „Insel der Hoffnung“. Liebe Leserinnen und Leser, stellt euch doch bitte einmal vor, dass dies hier in Deutschland nahe eurem Wohnort passiert wäre. Ihr hättet vielleicht einen lieben Menschen verloren, eure Eltern oder den besten Freund, und dann erfahrt ihr von unseren allseits nicht wirklich beliebten Jongleuren in der Finanzwelt, dass es doch noch ein kleines Senfkorn Hoffnung gibt.

Denn im Fernsehen folgt sie, die gute Nachricht aus der Krise, direkt auf die schrecklichen Bilder von Tot und Zerstörung: Ein vergnügter Reporter im maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug mit Designerbrille und Rolex berichtet gut gelaunt LIVE vom Börsenparkett, dass die Katastrophe in Japan „Gott sei Dank“ für die Anleger keine negativen Auswirkungen haben würde! Man hätte ja schon das Schlimmste für Aktien, Anleger und Spekulaten befürchtet, nein, im Gegenteil: Man könne als gewiefter Geldverschieber nun sicher in „Aufbaufirmen“ investieren, oder aber gegen einige jener Unternehmen in Japan wetten, bei denen nicht erwartet werde, dass sie die Krise überleben – damit ließen sich sichere Gewinne abschöpfen, besonders wenn die Firmen wirklich pleite gehen…

Diese Börsenjuppies also, die in ihrem ganzen Leben noch nicht einen einzigen Nagel ohne Blutaustritt in die Wand gekloppt haben, geschweige denn für 3 Euro die Stunde Scheißshäuser geputzt oder am Monatsende Sorgen um die Nahrungsmittelbereitstellung für ihre Familie haben, die also noch nie für ihr Geld auch nur irgendetwas sinnvolles und dem Gemeinwohl dienende leisten mussten, sie freuen sich darüber, dass es dank der Katastrophe in ihrer Kasse wieder heftig klingelt. Herzlichen Glückwunsch, ihr armseligen und kranken seelisch vollends verkümmerten Geschöpfe, dass ihr dank dem Leid der Menschen, die ihre Heimat und ihre Lieben verloren haben nun die Sorge haben müsst, wo ihr den vierten Sportwagen parkt. Vermutlich sehr ihr euch als die wahren Helden dieser Tragödie, so unglaublich schlau und geschickt, dass man euch vielleicht einmal zu einem Praktikum im havarierten AKW verdonnern sollte. Wenn ihr wieder in eurem Penthouse residiert und auf die „gewöhnlichen“ Menschen herab blickt, bitte springt doch einfach mal aus dem Fenster, die Wolke eurer eigenen Traumwelt wird euch sicher auffangen! Oder um es mit den Worten eines meiner besten Freunde zu sagen: „Merkt ihr noch was?“

Ich schaltete den Fernseher ab, als diesem Börsenbericht ein Spot mit der Bitte um Spenden folgte, und entfernte das Erbrochene von meinem Esstisch, dem Teppich und der Tapete…

Bildquellenangabe: Uta Herbert / pixelio.de

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